Warum Reteaming den Unterschied macht
Wenn wir über mentale Gesundheit sprechen, wird oft die persönliche Resilienz in den Mittelpunkt gestellt – also die individuelle Fähigkeit, mit Stress, Krisen und Herausforderungen umzugehen. Zweifellos ist unsere Resilienz eine Art „Immunsystem der Seele“ – sie schützt uns nicht vor den Krisen und Belastungen per se, sie verhindert jedoch, dass wir schwerwiegende Folgen, wie z.B. eine psychische Erkrankung davon tragen.
Viele Menschen fühlen sich mitunter erschöpft oder überfordert – und allzu oft wird ihnen geraten, ihre eigene Resilienz zu stärken. Doch was, wenn das eigentliche Problem in den äußeren Bedingungen liegt? Wenn ständige Erreichbarkeit, Leistungsdruck, Konkurrenz, wirtschaftliche Unsicherheit, Krisen und zwischenmenschliche Konflikte dauerhaft zum (beruflichen) Alltag gehören? Dann klingt dieser Auftrag fast schon zynisch und die Verantwortung, für Besserung zu sorgen, liegt ausschließlich beim Individuum. Wenn es trotz großer Bemühungen nicht gelingt, konstruktiv mit den Herausforderungen umzugehen, wird dies schnell als persönliches Versagen interpretiert und erzeugt nicht selten weitere Scham- und Schuldgefühle auf Seiten der ohnehin unter Stress und Anspannung leidenden Betroffenen.
Mentale Gesundheit ist mehr als eine individuelle Aufgabe
Unsere psychische Gesundheit hängt nicht allein von unseren inneren Ressourcen ab, sondern ist das Ergebnis eines Zusammenspiels verschiedener Faktoren. Unser soziales Umfeld, die Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie gesellschaftliche Strukturen spielen eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle bei der Frage nach dem Gesundheitszustand einer Person.
Hier setzt Reteaming an – eine klar strukturierte, lösungsfokussierte Methode, die nicht nur den Einzelnen Menschen stärkt, sondern vor allem das gesamte Umfeld positiv beeinflusst.
Reteaming: Lösungsfokus statt Problemfixierung
Reteaming bedeutet so viel wie „Team-Neu-Gestaltung“ und wurde von Ben Furman (siehe Video OmU) und Tapani Ahola entwickelt. Der Ansatz basiert auf der lösungsfokussierten Kurzzeittherapie. Statt sich auf Probleme zu konzentrieren, geht es darum, Ziele zu definieren, Stärken zu aktivieren und positive Veränderungen für sich selbst und miteinander herbeizuführen. In 12 einfachen Schritten gelingt der Wechsel von der Problem- zur Lösungsorientierung, wobei der Fokus auf Fortschritten und gegenseitiger Unterstützung liegt. Die Schritte lauten in Kurzform wie folgt:
Schritt 1: Beschreiben Sie Ihre Vision
Schritt 2: Legen Sie sich auf ein Ziel fest
Schritt 3: Suchen Sie sich Helfer*innen
Schritt 4: Schauen Sie auf den Nutzen
Schritt 5: Achten Sie auf bisherige Fortschritte
Schritt 6: Planen Sie künftige Fortschritte
Schritt 7: Stellen Sie sich den Herausforderungen
Schritt 8: Fördern Sie Optimismus
Schritt 9: Geben Sie ein Versprechen
Schritt 10: Dokumentieren Sie die Fortschritte
Schritt 11: Bereiten Sie sich auf mögliche Rückschläge vor
Schritt 12: Feiern Sie den Erfolg, und danken Sie Ihren Helfer*innen
aus: Furman / Ahola: Es ist nie zu spät, erfolgreich zu sein (Carl-Auer-Verlag)
Das Konzept findet im Einzel- oder Mehrpersonen-Setting Anwendung und wird nicht nur in der Arbeitswelt, sondern z.B. sondern auch in der Arbeit mit Kindern und Familien als „Ich schaff’s“-Methode genutzt. Es wurde bereits erfolgreich auf viele Arbeitsbereiche mit Gruppen übertragen, z. B. in der Sozialarbeit, Schule, Coaching, Beratung und Therapie, sowie in der Unternehmens- und Teamentwicklung. Durch den Fokus auf ein gemeinsames Ziel und den Blick auf Fortschritte, entsteht eine positive, ermutigende Atmosphäre. Ein wichtiger Grundsatz ist: „Keiner ist allein für das Problem verantwortlich, aber jeder für die Lösung“. So entsteht der nötige Teamgeist, um Veränderungen aktiv und positiv zu gestalten.
Mentale Gesundheit braucht ein unterstützendes Umfeld
Ob wir unter schwierigen Bedingungen (mental) gesund bleiben können, wird maßgeblich davon beeinflusst, in welchem „Klima“ wir uns bewegen. In diesem Sinne sind besonders Führungskräfte – und hierzu zähle ich ausdrücklich auch Eltern – immer auch „Klima-Beauftragte“. Sie sollen eine Atmosphäre und Strukturen schaffen, die mentale Gesundheit für alle Beteiligten begünstigen. Mit Reteaming ist auch dies keine individuelle Aufgabe, was zur Entlastung der Führungskraft beiträgt. Gemeinsam lässt sich eine Kultur etablieren, in der Lösungen im Fokus stehen, gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung selbstverständlich sind und Veränderungen mit Zuversicht angegangen werden. Für Führungspersonen ist Reteaming insbesondere im Hinblick auf das Konzept der neuen Autorität eine Bereicherung.
Veränderung beginnt im Miteinander
Anstatt nur einzelne Personen zu stärken, sollten wir uns fragen: Wie können wir Strukturen schaffen, die es uns ermöglichen, auch unter schwierigen Bedingungen gesund, handlungsfähig und erfolgreich zu sein? Hier hilft der Wechsel vom Streben nach resilienten Individuen, hin zu resilienten Systemen. Reteaming hilft dabei, diesen Wandel bewusst zu gestalten – sei es in Unternehmen, Teams oder im privaten Umfeld. Denn Resilienz entsteht nicht allein in uns selbst, sondern immer auch im Zusammenspiel mit anderen Menschen und unserer Umgebung.
Ich habe bereits viele gute Erfahrungen mit Reteaming im Einzelsetting, insbesondere im Führungskräfte-Coaching gesammelt und konnte auch Familien durch die Arbeit mit „Ich schaffs“ unterstützen. Nun freue ich mich darauf, meine Erfahrungen auf die Gruppen- und Teamarbeit auszuweiten und habe im Mai 2025 an der Fortbildung zum Reteaming-Coach am BCO Köln teilgenommen (Zertifikat ausstehend).
Wenn Sie im Rahmen eines Impulsvortrags (60 Min. Präsenz/online) mehr zum Thema Reteaming, Resilienz und mentale Gesundheit erfahren möchten, sprechen Sie mich gern an. Ich freue mich auf unser Kennenlernen.
Bild: Instagram – @worry__lines